Karl Johaentges

Homeless in Tokyo 

 

 

HOMELESS IN TOKYO

Japans schlimmste Rezession seit 50 Jahren und astronomisch hohe Mieten haben zu einem sprung-haften Ansteigen der Obdachlosenzahlen geführt. Unter Hochstraßen, in fast allen öffentlichen Parks und ent-lang der Uferanlagen des Sumida River entstehen mit erschreckender Dynamik ständig neue „permanente" Pappkartondörfer. Diese Notbehausungen wachsen nicht versteckt am Stadtrand, sondern unübersehbar in prominenter Lage: in der Nähe von Tempeln, in Randzonen der öffentlichen Parks - überall dort, wo es auch öffentliche Toiletten gibt. Selbst in den berühmten Touristenparks sind „Dörfer" mit 300 – 500 Bewohnern entstanden und wachsen explosionsartig. Die Zahl dieser – von der Stadtverwaltung oft geduldeten – Wohnverschläge wird allein in Tokio auf über 15.000 geschätzt.

Zusammengenagelt aus Holzlatten, wasserdichten Bauplanen und Pappe bieten sie oft nur notdürftigsten Schutz – eine vergängliche Wohnarchitektur ohne feste Adresse aber mit erstaunlich vielfältigen Baustandards. (Viele Bewohner waren Saisonarbeiter ohne Sozialversicherung, die nach dem Platzen der bubble economy massenhaft ihre Jobs verloren.)

Auf Sauberkeit wird auch im Elend viel Wert gelegt. Einige Wohnboxen verfügen dank benzinbetriebener Generatoren sogar über Elektrizität und sind den Umständen entsprechend gemütlich eingerichtet. Die unterste Wohnform sind einfache Klappkartons. Sie eignen sich aber nur für regengeschützte Orte wie U-Bahn-Stationen, in denen die Homeless nachts für wenige Stunden Zuflucht finden. Frühmorgens um sechs müssen sie ihren Schlafplatz wieder räumen.

Obdachlosigkeit gibt es in allen Metropolen. Wir verbinden damit Verwahrlosung und Flucht in den Alkohol. In Tokyo jedoch sieht man den Homeless (sie betteln nicht) ihre schlimme soziale Lage häufig nicht an. Die Nojuku oder Schachtelleute versuchen auch in dieser Situation – von ihren Landsleuten vehement ignoriert – ein möglichst normales, „bürgerliches" Leben zu führen. Auf welcher Stufe ist Wohnen ohne Adresse im Betondschungel von Tokio möglich ?

 

Der Fotograf Karl Johaentges arbeitete nach seinem Studium bis 1981 als Architekt in Hannover und wechselte Mitte der 80er Jahre in den Fotografenberuf. Seitdem fotografierte KaJo über zwanzig Bildbände und zahlreiche Magazinreportagen. 1990 gründete Karl Johaentges mit 16 weiteren Kollegen die Fotografenagentur LOOK in München. 2003 wurde er in den Bundesvorstand des Fotojournalistenverbands FREELENS gewählt. Arbeitsschwerpunkte des Hannoveraners sind neben seinen langjährigen Bildbandprojekten, Reportagen und Architekturfotografie auch Unternehmens-portraits. In Zusammenarbeit mit dem Reiseveranstalter OneWorld führt er Workshops zum Thema „Reisefotografie" durch, u.a. in Paris und Shanghai.

2003 kehrte er nach mehreren Tokio-Reisen mit dieser Reportage zurück. Die Annäherung mit der Kamera war extrem schwierig, denn Gesichtsverlust hat in Japan mehr Gewicht als bei uns. Einige Homeless gewährten Einblicke in ihre „Wohnzimmer" und erzählten Details ihres sozialen Abstiegs. Namen aber wurden fast immer verweigert. Als Dolmetscher in Tokio half ihm der junge Hannoversche Physiker Philip Ernst, der damals in Osaka studierte und fließend Japanisch spricht. Ohne seine Hilfe wäre die Nähe dieser Bilder nicht möglich gewesen.

Seit 2003 arbeitet KaJo fast ausschließlich digital. Diese Arbeit wurde mit einer 11-Mio-Pixel-Digitalkamera fotografiert. Wenn Sie mehr über die Arbeit von Karl Johaentges erfahren wollen, besuchen Sie bitte seine Website:

www.kajofoto.de 

Karl Johaentges

 

 

 




Ausstellungsdauer: 2. September 2005 bis 29. September 2005


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